Beim Wort „Observer“ meldet Google mehr als 160 Millionen Treffer. Observer, auf deutsch Beobachter, ist rund um den Globus ein Allerweltsbegriff – und es gibt die „Guardian News & Media Limited“, die unter anderem die Sonntagszeitung „The Observer“ herausgibt.
Wegen einer angeblichen Verwechselungsgefahr hat der Medien-Goliath juristische Geschütze gegen den Medien-David „Observer Gesundheit“ aufgefahren. Der Fall liegt jetzt beim Bundespatentgericht und könnte grundsätzliche Auswirkungen auch für andere Unternehmen in Deutschland haben.
In Bonn hat Prof. Dr. Andreas Lehr ein kleines Familienunternehmen aufgebaut. Seit 2004 liefert seine Agentur für gesundheitspolitische Information mit einer Datenbank namens „Observer“ exklusive Nachrichten und Hintergrundberichte für Entscheidungsträger in Verbänden und Unternehmen.
Im Jahr 2018 kam „Observer Gesundheit“ hinzu, eine Fach-Website mit gesundheitspolitischen Kommentaren, Analysen, Szene- und Managementbeiträgen. So entstand eine integrierte Website mit nationalem gesundheitspolitischen Fokus.
Viele Jahre hat man sich auch in London nicht an der kleinen Firma im fernen Bonn gestört. Auf der ganzen Welt gibt es andere Zeitungen, die den Begriff „Observer“ im Titel haben. Verwechslungsgefahr? Eigentlich nicht.
Auslöser für den Großangriff aus London ist eine Formalie. Denn 2017 meldete Lehr sein Produkt „Observer Gesundheit“ beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Eintragung an. Und erhielt die entsprechende Urkunde. Alles gut? Nicht für den Mediengiganten aus London.
Über eine Anwaltskanzlei in Düsseldorf reicht der Medienkonzern 2018 einen Widerspruch ein. Die Begründung: Mit „Observer Gesundheit“ würde Lehr die Marke „The Observer“ missbrauchen.
Dazu muss man wissen: Allein in Deutschland tragen 22 Marken, die beim Deutschen Patent- und Markenamt registriert sind, das Wort „Observer“ im Namen.
Beim DPMA wurde die Marke „Observer Gesundheit“ allerdings gelöscht. Unternehmer Lehr ließ sich das nicht gefallen und zog, nachdem sein Widerspruch vom Deutschen Patent- und Markenamt zurückgewiesen wurde, vor das Bundespatentgericht in München.
Eines seiner Argumente: Mit „Observer 4.0 – Management Information System Gesundheitspolitik“ besitzt er eine zweite Marke, die den Begriff „Observer“ im Namen trägt – die oben bereits erwähnte Datenbank.
Und diese Marke wurde anstandslos vom Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen – ohne Widerspruch aus London, obwohl sie zeitgleich mit „Observer Gesundheit“ angemeldet wurde.
In der mündlichen Verhandlung im Januar 2022 gibt der Vorsitzende Richter beiden Parteien mit auf den Weg, einen Vergleich auszuhandeln. Doch obwohl Prof. Dr. Andreas Lehr ein konkretes Angebot vorlegt und sich bereit erklärt, auf eine eigene Markeneintragung zu verzichten, kommt eine Einigung nicht zustande.
Offenbar spielen die Briten auf Zeit, um doch noch ein höchstrichterliches Urteil zu bekommen, was dann auch für andere Unternehmen grundsätzliche Bedeutung haben könnte.
„Es besteht die konkrete Gefahr, dass große Unternehmen ihre Markenmacht missbrauchen und kleine Firmen mit juristischen Mitteln platt machen“, warnt Prof. Dr. Andreas Lehr, der darauf hofft, dass das Gericht diesen Aspekt mitbeachtet.
Lehr sagt: „Ich habe mir als Familienunternehmer viele Jahre eine Marke aufgebaut. Diese Arbeit droht mit einem Schlag vernichtet zu werden, wenn das Recht sich auf die Seite Goliaths schlägt.“
Er meint: „Keiner meiner Leserinnen oder Leser denkt bei ‚Observer Gesundheit‘ an eine Sonntagszeitung aus London…“
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